Werke: © Matthias Surges, Fotos: © Eberhard Weible & VG Bild-Kunst
Das Thema Landschaft stellt seit vielen Jahren den grundlegenden Aspekt im künstlerischen Werk von Matthias Surges dar. Seine Auseinandersetzung damit ist sowohl von historischen als auch von aktuellen Bezugnahmen gekennzeichnet, mit denen er die Wahrnehmung und, damit einhergehend, auch die Ästhetisierung von Natur als zivilisatorisches Phänomen untersucht und die Landschaft an sich als eine Art Bruchstelle zwischen Sehnsucht und Konsum reflektiert. Gleichzeitig thematisiert er die künstlerische Wiedergabe von Idylle und die Möglichkeiten der Abbildhaftigkeit von Natur in der Kunst generell. Mit den Econs schafft er seit 2017 minimalistische Landschaftsbilder, in denen die spezifische Farbigkeit einer direkt aus der Natur gewonnenen skulpturalen Form zum eigentlichen Thema wird. Mit diesen Arbeiten stellt der Künstler eine Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft her. Econ, so bezeichnet man in der Landschaftsökologie die kleinstmögliche Einheit einer Landschaft, die als Basis für die Untersuchung vertikaler Vorgänge ausgesucht wird; es ist ein repräsentativer Ausschnitt eines Ökotops.
Die in den Vitrinenkästen gesammelte Erde entstammt Orten, die alle eine persönliche Bedeutung für den Künstler haben. Damit zeigen die Arbeiten charakteristische Landschaftsteile, Fragmente ausgesuchter Orte, die in die Biografie und in den Blick des Künstlers geraten sind, an denen er sich aufgehalten hat und die nun als Landschaftsbilder im Ausstellungskontext öffentlich werden. Es handelt sich um Schichtungen, die normalerweise unter der Erdoberfläche verborgen und damit eigentlich nicht sichtbar sind. Erst durch ihr sprichwörtliches Hervorheben durch den Künstler geraten sie in den Fokus. Die Erdschichtung wurde dem Boden entnommen, durch die künstlerische Intervention in skulpturale Form gebracht und anschließend durch eine monochrome Bildfläche ergänzt, welche exakt die Farbgebung der Erde zur Zeit ihrer Bergung wiedergibt. In vielen aufeinanderliegenden Farbschichten werden die Bildtafeln, einer Munsell-Farbkarte [1] entsprechend, mit quasi wissenschaftlicher Genauigkeit angelegt und bezeugen dokumentarisch einen Zustand, der den transitorischen Moment ihrer Betrachtung (und Aneignung) durch den Künstler wiedergibt. Damit wird das Thema Landschaftsmalerei ganz neu formuliert und durch die Reduktion auf reine Farbigkeit und Formwirkung konzeptuell umgesetzt.
Auch in den Aquarellen geht es dem Künstler um grundsätzliche Eigenschaften der Malerei. In diesen Arbeiten legt Matthias Surges mit einem breiten Pinsel Farbbahnen aus gemischten Grautönen an, die er aus der Mischung der Grundfarben erhalten hat. Die Pinselbahnen verlaufen zunächst bis zu einem Punkt in der Mitte oder am Rand des Blattes und wiederholen sich dann in einer mechanisch-meditativen Weise wie die Laufbahn eines Druckkopfes. Sie werden jedoch jedes Mal genau an der Stelle gestoppt, an der sich durch die Ansammlung der Wasserfarbe ein Farbrücklauf gebildet hat. Die dem Aquarell immanenten Merkmale wie Lasur, Licht und das Zufällige der Farbverläufe sind dem Künstler dabei wichtig. Er reduziert seine Handlung auf eine minimale Malgeste, das Bild entsteht dann in einem organischen Prozess durch die Pfützen und Verläufe. Daraus resultieren unterschiedlich stark gefärbte Flächen, deren zunehmende Transparenz einen räumlichen Eindruck hervorzurufen vermögen. Die Farbbahnen lassen entweder in der Mitte oder am Rand das Papier durchscheinen und verursachen durch das entstehende Band von Hell-Dunkel den Effekt von Höhe und Tiefe respektive Fläche und Raum, Dichte und Auflösung oder auch prozesshafter Ausdehnung.
[1] Das Munsell-Farbsystem wird u.a. von Geologen und Archäologen zur Bestimmung der Farbigkeit unterschiedlicher Erdschichten benutzt
For several years the subject of landscape has formed the basis for Matthias Surges’ artistic work. His investigation of the theme is characterized by both historical and current references which examine the perception of nature and its aestheticization as a phenomenon of civilization, presenting landscape as an interface between longing and consumption. In doing so, he makes a theme of the artistic interpretation of the idyllic and the range of possibilities for the representation of nature in art generally. Since 2017 he has worked on the Econ series, minimalistic landscape paintings the specific colorfulness of the sculptural forms of which adopted directly from nature have become the actual theme. With these works the artist creates a convergence of art and science. In landscape ecology, Econ is the term for the smallest unit that is selected as the basis for the investigation of vertical processes; it is a representative section of an ecotope.
The soil strata collected in the display cases was obtained from locations having personal meaning for the artist and show characteristic landscape elements, fragments of specific locations as part of the artist’s biography and outlook, and spaces where he had spent time, now shown as landscape paintings in the context of an exhibition. Normally hidden beneath the surface of the earth, these stratifications have been made visible by the artist’s intervention. The soil layers obtained from the earth have taken on a sculptural form. Subsequently complemented by a monochrome image surface, they represent precisely the soil colorization at the time of its removal. In numerous overlapping colored layers, the picture panels in conjunction with the use of the Munsell color chart [1] are arranged with quasiscientific precision documenting a condition that accords with the artist’s perception (and appropriation). Thus, the genre of landscape painting has been reformulated and conceptually realized anew by means of a reduction to pure color and an emphasis on form.
In the watercolors, too, the artist is concerned with the basic attributes of painting. Matthias Surges paints bands of color of blended gray shades derived from combining the primary colors. Initially the bands of color run to a point in the center or along the edge of the sheets in a mechanically repetitive manner like that of a print head, stopping repeatedly at the exact point where the accumulation of watercolor has formed a backflow. The intrinsic characteristics of watercolor including glaze, light, and its random application are of importance to the artist. He reduces his painterly gestures to a minimum, allowing the picture to emerge in an organic process, which includes pooling and runs, which results in a variety of strong color surfaces whose increasing transparency produces a spatial impression. The color bands allow the paper to shine through at the center or at the edges, creating through the formation of a band of light and dark an effect of height and depth, or of surface and space, density and resolution, or processual expansion.
[1] The Munsell color system is used by geologists and archeologists to categorically determine soil color at various layers/strata and location.
Text: Ann-Katrin Günzel
Übersetzung / Translation: Uta Hoffmann
Geboren 1959 in Kirchweiler/Eifel. Lebt und arbeitet in Köln seit 1995 Born 1959 in Kirchweiler/Eifel. Lives and works in Cologne since 1995
Studium / Education:
1984-92 Studium der Freien Kunst an der Fachhochschule für Kunst & Design, Köln (bei Stefan Wewerka und Jörg Immendorff)
1981-84 Studium der Kunsterziehung und Deutsch an der Universität Bonn
Stipendien und Auszeichnungen / Grants and Awards:
1987 Stipendium der Stadt Bonn, Kunstmuseum Bonn
Einzelausstellungen / Solo exhibitions:
2014 One Night Stand, Installation, 10qm, Kunstprojekt im öffentlichen Raum, Köln
2012 Fenster, Schaufensterinstallation, das Fenster, Köln
2011 o.T., Rauminstallation, Kiosk 24, Herford
2008 Transit, TZR-Galerie Kai Brückner, Düsseldorf
2005 Kieferngrün, TZR-Galerie Kai Brückner, Bochum
Farbreliefs, Kunstraum 28/30, Köln
1995 Kurfürstliches Gärtnerhaus, Bonn
Gruppenausstellungen / Group exhibitions:
2018 Black Box, Boeckercontemporary, Saarländisches Künstlerhaus Saarbrücken
2017 Zehn Jahre, Kunstverein Neukölln, Berlin
2015/16 Anonyme Zeichner, Kunstverein Tiergarten, Berlin
art Q, Rom
Galerie Geyso20, Braunschweig
Kunstverein Rüsselsheim
2014 Stückwerk (mit Andreas My und Matthias Stuchtey)
kunstverein t27, Berlin-Neukölln
2013 Schnittmenge (mit Andreas My und Matthias Stuchtey), Kunstwerk, Köln
2011 Große Kunstausstellung NRW, Museum Kunstpalast, Düsseldorf
2008 Jahresgaben, Kunstverein Braunschweig
Taeh-Wa Art (Skulpturenprojekt), Ulsan/ Südkorea
2007 Stop over, Positionen zeitgenössischer Skulptur, Samuelis Baumgarte Galerie, Bielefeld
2005-07 Art Cologne, TZR Galerie Kai Brückner, Düsseldorf
2001 Internationale Aquarellbiennale, Kunststation Kleinsassen, Fulda
1992 Bonner Künstler in St. Petersburg, Manege, St. Petersburg
1989 Links, Museum of Modern Art, Oxford
1984 Wandmalerei im Auswärtigen Amt, Bonn